- Erfahren Sie, wozu die erste Wahlversammlung im vereinfachten Wahlverfahren dient.
- Lernen Sie Schritt für Schritt Ihre Pflichten auf der ersten Wahlversammlung kennen.
- Seien Sie in der Lage, die erste Wahlversammlung rechtssicher und zuverlässig durchzuführen.
Inhaltsverzeichnis
Im zweistufigen Wahlverfahren wird auf der ersten Wahlversammlung der Wahlvorstand (§§ 28, 28 WO) und auf der zweiten der Betriebsrat gewählt. Die zweite Wahlversammlung findet dabei eine Woche nach der Wahlversammlung zur Wahl des Wahlvorstandes statt (§ 14a Abs. 1 Satz 4 BetrVG).
Erste Wahlversammlung mit doppelter Zielrichtung
Die erste Wahlversammlung zur Wahl des Wahlvorstandes hat eine mehrfache Zweckrichtung. Zum einen muss der Wahlvorstand in einem ersten Schritt gewählt werden. Unmittelbar nach dessen Wahl muss der Wahlvorstand aber bereits die ersten zentralen Vorgänge für die Betriebsratswahl veranlassen. Mit anderen Worten: Er muss unmittelbar nach seiner Wahl die Wahl des Betriebsrats einleiten (§ 30 Abs. 1 Satz 1 WO). Das bedeutet:
- Der Wahlvorstand muss die Wählerliste aufstellen (§ 30 Abs. 1 Satz 3 WO).
- Sodann muss er das Wahlausschreiben erlassen (§ 31 Abs. 1 Satz 1 WO).
- Er muss die Wahlvorschläge noch in der Wahlversammlung entgegennehmen und prüfen (§ 33 Abs. 1 und 3 WO).
Im vereinfachten Wahlverfahren ist die Wahlversammlung daher bereits Teil des Wahlvorgangs zur Betriebsratswahl. Vorschriften zum Aushang, den Fristen und dem Inhalt der Einladung müssen eingehalten werden. Ansonsten droht die Anfechtung der Betriebsratswahl.
BAG, Beschluss vom 19.11.2003 – 7 ABR 24/03
Dem Wahlvorstand wird also ziemlich viel abverlangt, obschon er vorher noch an keiner Schulung teilgenommen haben kann. Umso mehr sollten die Initiatoren Arbeitnehmer mit Bedacht vorschlagen und nach Möglichkeit die Unterstützung der Gewerkschaft in Anspruch nehmen.
Vorkehrungen vor der ersten Wahlversammlung
Schon vor der Wahlversammlung kann es sinnvoll sein, Vorkehrungen zu treffen, indem beispielsweise die Wählerliste vorab erstellt wird sowie die aktiv und passiv wahlberechtigten Arbeitnehmer sondiert werden. Auch kann und sollte das Wahlausschreiben vorbereitet werden.
Exkurs: Ab wann gilt der Sonderkündigungsschutz von an der Wahl beteiligten Personen?
- Einladende Arbeitnehmer: Mit Aushang der Einladung (§ 15 Abs. 3a KSchG).
- Wahlvorstandsmitglieder: Mit der Bestellung zum Wahlvorstand (§ 15 Abs. 3 KSchG).
- Wahlbewerber: Vom Zeitpunkt der Aufstellung des Wahlvorschlags an (§ 15 Abs. 3 KSchG).
Einladung zur ersten Wahlversammlung
Zur ersten Wahlversammlung können drei wahlberechtigte Arbeitnehmer sowie im Betrieb vertretene Gewerkschaften einladen (§ 17a Ziffer 3 BetrVG und § 28 Abs. 1 WO). Sie haben das Recht, Vorschläge zur Zusammensetzung des Wahlvorstandes zu machen. Die im Betrieb vertretenen Gewerkschaften haben zu diesem Zweck ein Zugangsrecht zum jeweiligen Betrieb.
Form und Frist der Einladung zur ersten Wahlversammlung
Die Einladung muss spätestens sieben Tage vor dem Tag der Wahlversammlung erfolgen (§ 28 Abs. 1 Satz 2 WO), wobei für die Fristberechnung § 41 WO und §§ 186 bis 193 BGB gelten. Wie auch an anderen Stellen im Gesetz wird die Frist rückwärts berechnet, weshalb der Tag der Wahlversammlung für die Fristberechnung nicht mitgezählt wird. Wenn also der Tag der Wahlversammlung ein Donnerstag ist, ist der Mittwoch der Tag des Fristbeginns. Die Frist läuft also am Donnerstag um 0:00 Uhr ab. Deshalb müsste die Einladung spätestens am Mittwoch erfolgen.
Der Wahlvorstand hat auch im vereinfachten Verfahren die Pflicht, die Einladung zur ersten Wahlversammlung durch Aushang an geeigneten Stellen bekannt zu machen (§ 28 Abs. 1 Satz 3 WO). Er muss dabei sicherstellen, dass alle Arbeitnehmer vom Inhalt der Einladung Kenntnis nehmen können.
BAG, Beschluss vom 19.11.2003 – 7 ABR 24/03
Das bedeutet auch, dass die Einladung bei Vorhandensein von mehreren Betriebsstätten in Kopie in jeder Betriebsstätte erfolgen muss. Des Weiteren müssen auch regelmäßig auswärts Beschäftigte in geeigneter Form – zum Beispiel per Post, Boten oder E-Mail – von der Einladung informiert werden. Auf Verlangen der Wahlinitiatoren ist der Arbeitgeber verpflichtet, die Einladung an diese Arbeitnehmergruppe zu übersenden.
BAG, Beschluss vom 26.02.1992 – 7 ABR 37/92
Gibt es ausländische Arbeitnehmer im Betrieb, die der deutschen Sprache nicht hinreichend mächtig sind, muss sichergestellt werden, dass diese Arbeitnehmer vom Inhalt der Einladung Kenntnis nehmen können. Empfehlenswert ist die Übersetzung der Einladung in die jeweilige Landessprache.
Rückgriff auf Informations- und Kommunikationstechnik
Bei der Einladung kann auf Informations- und Kommunikationstechnik zurückgegriffen werden. Diese kann unter den Voraussetzungen des § 2 Abs. 4 Satz 4 WO auch anstelle des Anhangs verwendet werden (§ 28 Abs. 1 Satz 4 WO). Dann muss aber gewährleistet sein, dass alle Arbeitnehmer von der Einladung in dieser Form Kenntnis erlangen können.
BAG, Beschluss vom 19.11.2003 – 7 ABR 24/03
Eine ergänzende Bekanntmachung der Einladung über Informations- und Kommunikationstechnik ist dagegen immer möglich (§ 28 Abs. 1 Satz 4 WO).
Der erforderliche Inhalt der Einladung ergibt sich aus § 28 Abs. 1 Satz 5 WO. Danach muss die Einladung folgende Hinweise enthalten:
- Ort, Tag und Zeit der Wahlversammlung.
- Hinweis, dass Wahlvorschläge zur Betriebsratswahl bis zum Ende der Wahlversammlung gemacht werden können.
- Weiter der Hinweis, dass Wahlvorschläge zur Wahl des Betriebsrats mindestens von einem Zwanzigstel der wahlberechtigten Arbeitnehmer, mindestens jedoch von drei Wahlberechtigten unterzeichnet sein müssen; dass in Betrieben mit in der Regel bis zu zwanzig Wahlberechtigten die Unterzeichnung durch zwei Wahlberechtigte ausreicht.
- Schließlich die Information, dass Wahlvorschläge zur Betriebsratswahl, die in der ersten Wahlversammlung gemacht werden, nicht der Schriftform bedürfen.
Pflichten des Arbeitgebers bei der ersten Wahlversammlung
Der Arbeitgeber ist im vereinfachten Wahlverfahren hinsichtlich der ersten Wahlversammlung kein unbeteiligter Außenstehender. Vielmehr treffen ihn bestimmte Informations- und Mitwirkungspflichten.
So ist er zum einen verpflichtet, den Aushang der Einladung zur Wahlversammlung durch die Initiatoren zu dulden und – sofern notwendig – diesen sogar zu ermöglichen.
Weitergehend hat der Arbeitgeber die Pflicht, den Initiatoren der Wahl alle Unterlagen zukommen zu lassen, die für die Vorbereitung der Wählerliste erforderlich sind (§ 28 Abs. 2 WO). Diese Liste muss enthalten:
- Familienname und Vorname
- Das Geburtsdatum
- Das Datum des Eintritts in den Betrieb
- Geschlecht
- Unterlagen, aus denen der Kreis der leitenden Angestellten (§ 5 Abs. 3 BetrVG) ermittelt werden kann
- Informationen zu im Betrieb befindlichen Leiharbeitnehmern, um deren Wahlberechtigung feststellen zu können
Nach Erhalt der Unterlagen sind die Initiatoren verpflichtet, diese dem Wahlvorstand unmittelbar nach einer Wahl in einem versiegelten Umschlag zu übergeben (§ 30 Abs. 1 Satz 4 WO).
Aus Sicht der Initiatoren der Wahlvorstandswahl bietet es sich an, den Arbeitgeber frühzeitig über seine gesetzlichen Pflichten zu informieren. Hilfreich ist die Bereitstellung einer Auskunftsperson, die den Initiatoren während der ersten Wahlversammlung bei Fragen bereitsteht.
Es traten in der Vergangenheit bereits Situationen auf, in denen Arbeitgeber ihre Mitwirkung verweigert oder verzögert haben. Dies stellt eine Behinderung der Betriebsratswahl und damit einen Verstoß gegen § 20 Abs. 1 Satz 1 BetrVG dar. Weiterhin könnte in solchen Konstellationen auch eine Straftat nach § 119 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG vorliegen. Unter Umständen könnten die Initiatoren gegen den Arbeitgeber dann per einstweilige Verfügung vorgehen.
Fraglich ist aber, ob die Initiatoren den Wahlvorstand unmittelbar beim Arbeitsgericht bestellen könnten. Das Bundesarbeitsgerichts bejaht dies, sofern ein ernsthafter Versuch der Einladung zur Wahlversammlung und Durchführung derselben gescheitert ist.
BAG, Beschluss vom 26.02.1992 – 7 ABR 37/92
So führt der Wahl die erste Wahlversammlung durch
Wie Sie bereits wissen, kann die erste Wahlversammlung frühestens sieben Tage nach Bekanntmachung der Einladung stattfinden (§ 28 Abs. 1 Satz 2 WO). Sie findet während der regulären Arbeitszeit statt (§ 44 Abs. 1 Satz 1 BetrVG).
Teilnahmeberechtigt sind alle im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer. Also auch solche, die über keine Wahlberechtigung verfügen. Kontrovers beurteilt wird hingegen, ob ein Vertreter des Arbeitgebers oder leitende Angestellte an der Wahlversammlung teilnehmen können. Jedenfalls haben nicht betriebszugehörige Personen, wie zum Beispiel der Rechtsanwalt des Arbeitgebers, kein Teilnahmerecht.
Arbeitsgericht Essen, Beschluss vom 22.06.2004 – 2 BV 17/04
Die Wahlversammlung findet im Regelfall in den Betriebsräumen des Arbeitgebers statt. Fehlen solche, ist auch die Abhaltung der Wahlversammlung außerhalb des Betriebes denkbar.
Vorbereitung der Wahl des Wahlvorstandes
Für die ordnungsgemäße Erfüllung seiner Aufgaben sind bereits die Initiatoren darauf angewiesen, dass ihnen die erforderlichen Mittel wie PC, Drucker, Kopierer und Büromaterial bereitgestellt werden. Die Kosten hierfür trägt der Arbeitgeber (§ 20 Abs. 3 Satz 1 BetrVG).
Sind ausländische Arbeitnehmer im Betrieb beschäftigt, die der deutschen Sprache nicht hinreichend mächtig sind, ist hierauf bei der Vorbereitung der Wahlversammlung Rücksicht zu nehmen. Auch wenn es im vereinfachten Verfahren keine Pflicht ist (§ 30 Abs. 1 Satz 6 WO), sollten Dolmetscher bzw. schriftliche Hinweise in der Landessprache bereitstehen. Nur so wird gewährleistet, dass ausländische Arbeitnehmer die Wahl mit den Abläufen verstehen und ihre Rechte ausüben können.
Beginn der ersten Wahlversammlung
Der Ablauf der ersten Wahlversammlung sieht folgendermaßen aus:
(1) Die Initiatoren der Wahl erläutern zunächst den Zweck der ersten Wahlversammlung. Sie stellen die Tagesordnung vor und erklären den Ablauf der Wahlversammlung. Außerdem geben Sie einen Ausblick auf den nachfolgenden Prozess der Betriebsratswahl.
(2) Sodann wird ein Versammlungsleiter auf Vorschlag der Initiatoren mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen gewählt. Dabei kann jeder teilnahmeberechtigter Arbeitnehmer wählen und gewählt werden. Wählbar ist auch ein Beauftragter der Gewerkschaft.
(3) Wird kein Versammlungsleiter gewählt, ist aber erkennbar, dass die Mehrheit der Teilnehmer mit der Versammlungsleitung einer teilnehmenden Person einverstanden sind, so ist dies zulässig.
LAG Berlin, Beschluss vom 10.02.1986 – 9 TaBV 5/85