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Die Insolvenz des Arbeitgebers stellt für die Arbeitnehmer in der Regel eine besondere Härte dar. Doch die gute Nachricht ist: Auch im Fall der Arbeitgeberinsolvenz verbleiben dem Betriebsrat seine Mitbestimmungsrechte als Arbeitnehmervertretung. Dies gilt insbesondere bei einer Betriebsänderung, bei der ein Interessenausgleich und Sozialplan abzuschließen ist. Allerdings sind die Rechte und Gestaltungsmöglichkeiten des Betriebsrats in der Insolvenz beschränkt. Im Folgenden skizzieren wir die rechtlichen Grundlagen der Mitbestimmung des Betriebsrats im Insolvenzfall.

Mitbestimmung Betriebsrat beim Interessenausgleich in der Insolvenz

Wenn der Arbeitgeber eine Betriebsänderung plant, ist der Arbeitgeber zunächst verpflichtet, mit dem Betriebsrat über den Abschluss eines Interessenausgleichs zu verhandeln. Ein Interessenausgleich ist ein Vertrag zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat, in dem Einzelheiten zum „Ob, Wie und Wann“ einer Betriebsänderung geregelt werden. Der Abschluss eines Interessenausgleichs ist durch den Betriebsrat nicht einseitig erzwingbar. Allerdings besteht aufseiten des Arbeitgebers eine Verhandlungsobliegenheit bis zur Bundesagentur und Einigungsstelle, der in letzter Konsequenz aber die Spruchfähigkeit fehlt. Wenn der Arbeitgeber dieser gesetzlichen Verpflichtung nicht nachkommt, könnten ihn Arbeitnehmer nach § 113 Abs. 3 BetrVG auf Ausgleich des erlittenen wirtschaftlichen Schadens in Anspruch nehmen.

Soweit zu den gesetzlichen Maßgaben nach dem Betriebsverfassungsgesetz, die durch die Insolvenzordnung aufgrund der besonderen Situation aber eine Modifizierung erfahren. In der Insolvenz wird die Bundesagentur für Arbeit gemäß § 121 InsO als Vermittlungsinstanz nur dann tätig, wenn die Betriebsparteien die Agentur beidseitig um Vermittlung ersuchen. Und damit ergibt sich für den Betriebsrat eine wesentliche Änderung zum ansonsten gewohnten Verfahren. Das bedeutet nämlich, dass der Betriebsrat die Bundesagentur für Arbeit nicht mehr einseitig einschalten kann und dadurch eine wichtige verhandlungstaktische Komponente verliert.

Nach unserer Erfahrung kann die Bundesagentur für Arbeit je nach Verhandlungssituation durchaus das Zünglein an der Waage sein. Insbesondere dann, wenn Gespräche über die Einrichtung einer Transfergesellschaft geführt werden, sind die Beiträge der Agentur konstruktiv und aus Betriebsratssicht hilfreich.

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Durchführung Betriebsänderung schon vor Abschluss der Verhandlungen

Die Verhandlungsobliegenheit des Insolvenzverwalters ist noch in einem weiteren Punkt abgeschwächt. So kann der Insolvenzverwalter die Betriebsänderung auch vor Scheitern der Verhandlungen über einen Interessenausgleich durchführen. Dies gilt nach § 122 InsO dann, wenn

  • nach Beginn der Verhandlungen über den Interessenausgleich oder nach schriftlicher Aufforderung durch den Insolvenzverwalter
  • innerhalb von drei Wochen keine Einigung über den Abschluss eines Interessenausgleichs erzielt werden konnte
  • der Betriebsrat rechtzeitig und umfassend unterrichtet worden ist und
  • die witschaftliche Lage des Unternehmens die (vorzeitige) Durchführung der Betriebsänderung erfordert.

Normalerweise muss der Arbeitgeber bis zur Einigungsstelle verhandeln und kann erst auf dieser Ebene die Verhandlungen über den Abschluss eines Interessenausgleichs endgültig für gescheitert erklären. Dies setzt Arbeitgeber regelmäßig unter Zeitdruck – und verschafft dem Betriebsrat auf der anderen Seite Verhandlungsmacht. Die Regel ist nämlich, dass Arbeitgeber Maßnahmen zügig umsetzen müssen.

Und wo der Arbeitgeber die Notwendigkeit sieht, Maßnahmen schnellstmöglich umzusetzen, ist er auf den Betriebsrat und dessen Wohlwollen angewiesen. Denn der Betriebsrat hat einen durchaus beträchtlichen Einfluss auf die zeitliche Komponente einer Betriebsänderung. Gegen Zugeständnisse bei den Modalitäten der Betriebsänderung und beim Sozialplan können Arbeitgeber Zeit gewinnen. Dieser Einfluss des Betriebsrats ist in der Arbeitgeberinsolvenz deutlich geringer.

Sozialplan: Besonderheiten nach Eröffnung der Insolvenz

Neben dem Interessenausgleich ist bei einer Betriebsänderung auch ein Sozialplan auszuhandeln. Bei dem Sozialplan handelt es sich um einen Vertrag zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat mit den Wirkungen einer Betriebsvereinbarung, § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG. Im Gegensatz zum Interessenausgleich geht es beim Sozialplan darum, die wirtschaftlichen Nachteile auszugleichen oder zu mildern, die Beschäftigten durch eine geplante Betriebsänderung entstehen. Der Betriebsrat kann den Abschluss eines Sozialplans erzwingen, im Streitfall entscheidet die Einigungsstelle.

Die Höhe des Sozialplanvolumens richtet sich im Fall einer Betriebsänderung nach den tatsächlich zu erwartenden wirtschaftlichen Nachteilen, die den Beschäftigten entstehen. Die Grenze des Sozialplanvolumens ist die wirtschaftliche Vertretbarkeit und der Fortbestand des Unternehmens. Wird der Sozialplan von den Betriebspartnern allerdings nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgestellt, kann pro Arbeitnehmer aber lediglich ein Gesamtbetrag von bis zu zweieinhalb Monatsverdiensten vereinbart werden. Hinzu kommt, dass für die Sozialplanforderungen nicht mehr als ein Drittel der Insolvenzmasse verwendet werden darf. Reichen die so ermittelten Mittel nicht aus, sind die einzelnen Forderungen anteilig zu kürzen.

Die gute Nachricht aber ist: Bei solchen Forderungen handelt es sich um Masseverbindlichkeiten. Das heißt, dass diese Sozialplanforderungen vom Insolvenzverwalter vorrangig zu erfüllen sind.

Der Sozialplan vor Insolvenzeröffnung

Wenn hingegen die Betriebsparteien einen Sozialplan vor Eröffnung der Insolvenz aufgestellt haben, gelten andere Regeln. Auf der einen Seite ist die Höhe der Sozialplanforderungen nicht auf zweieinhalb Monatsverdienste beschränkt. Insoweit stehen die Beschäftigten beim Sozialplan also besser. Auf der anderen Seite jedoch handelt es sich bei diesen Forderungen nicht um Masseverbindlichkeiten, sondern um Insolvenzforderungen. Die Wahrscheinlichkeit, dass die im Sozialplan festgesetzten Leistungen gegenüber dem Insolvenzverwalter auch tatsächlich durchgesetzt werden können, ist relativ gering.

Auch bei einem vor der Insolvenzeröffnung abgeschlossenen Sozialplan gibt es aber eine gute Kehrseite. Wenn der Sozialplan mindestens drei Monate vor dem Eröffnungsantrag abgeschlossen wurde, hat der Betriebsrat die Möglichkeit, diesen zu widerrufen. In dieser Konstellation müssten die Betriebsparteien einen neuen Sozialplan verhandeln – gemäß den Einschränkungen nach Insolvenzeröffnung. Doch warum sollten Betriebsräte den besser dotierten alten Sozialplan widerrufen? Die Antwort ist denkbar einfach: Die Leistungen bei dem Sozialplan nach Insolvenzeröffnungen gehören zu den sogenannten Masseverbindlichkeiten; während die Leistungen aus dem zuvor abgeschlossenen Sozialplan ggf. „wertlose“ Insolvenzforderungen sind.

Der Betriebsrat muss daher stets eine Prüfung dahingehend vornehmen, bei welchem Szenario die Beschäftigten wirtschaftlich am besten wegkommen. Dies ist nicht immer ganz einfach, da eine Prognose darüber erforderlich ist, inwieweit die Beschäftigten die Sozialplanforderungen aus dem ursprünglichen Sozialplan realisieren können.

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