Arbeitszeit ist nicht nur eine Frage der Organisation – sie ist ein zentrales Element der Lebenswirklichkeit aller Beschäftigten. Wann gearbeitet wird, wie lange gearbeitet wird und unter welchen Bedingungen, das hat unmittelbare Auswirkungen auf Gesundheit, Familie, Freizeit und Motivation. Für den Betriebsrat ist das Thema Arbeitszeit deshalb von grundlegender Bedeutung. Die Mitbestimmung in diesem Bereich bietet die Chance, ganz konkret die Arbeitsbedingungen im Betrieb mitzugestalten und wichtige Themen in der Betriebsvereinbarung Arbeitszeit festzuhalten.
Dieser Ratgeber unterstützt den Betriebsrat dabei,
- die rechtlichen Grundlagen der Mitbestimmung bei der Arbeitszeit zu verstehen,
- die Grenzen der Mitbestimmung sicher zu erkennen,
- typische Regelungsfelder wie Überstunden, Dienstpläne oder Vertrauensarbeitszeit einzuordnen,
- mit Eil- und Notfällen korrekt umzugehen,
- eine strukturierte und wirksame Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeit zu entwickeln.
Der Nutzen des Ratgebers für Dich besteht darin, das eigene Mitbestimmungsrecht kennenlernen, fundiert ausüben, Konflikte vermeiden, rechtssicher agieren und tragfähige Lösungen mit dem Arbeitgeber gestalten zu können – stets im Interesse der Belegschaft.
Betriebsvereinbarung Arbeitszeit – Deine Ansprechpartner bei Betriebsrat Kanzlei

Raphael Lugowski
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Raphael Lugowski ist der Gründer von Betriebsrat Kanzlei. Er verfügt über jahrelange Erfahrung in der Zusammenarbeit mit Betriebsräten. Mit seinen Schwerpunkten im Betriebsverfassungsrecht ist er ein gefragter Ansprechpartner für Betriebsräte bei allen möglichen Betriebsvereinbarungen, die er in hoher Qualität vorbereitet.

Hamza Gülbas
Rechtsanwalt
Hamza Gülbas ist ein erfahrener Rechtsanwalt im Bereich des individuellen und kollektiven Arbeitsrechts. Regelmäßig unterstützt er Betriebsräte bei Betriebsvereinbarungen, Interessenausgleichen und Sozialplänen. Mit seinem Verhandlungsgeschick gelingt es ihm leicht, gute Lösungen für Beschäftigte zu erreichen.
Inhaltsverzeichnis
Mitbestimmung bei der Arbeitszeit
Die rechtliche Grundlage der Mitbestimmungsrechte bei der Arbeitszeit bildet § 87 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 des Betriebsverfassungsgesetzes. Diese Vorschriften legen fest, dass der Betriebsrat bei der Festlegung von Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit, der Pausen und deren Verteilung auf die Wochentage mitzubestimmen hat. Ebenso ist die Zustimmung des Betriebsrats erforderlich, wenn der Arbeitgeber die betriebsübliche Arbeitszeit vorübergehend verlängern oder verkürzen möchte – zum Beispiel durch Überstunden oder Kurzarbeit.
Dabei geht es nicht nur um Kontrolle, sondern um echte Mitgestaltung. Der Betriebsrat kann und soll aktiv mit dem Arbeitgeber verhandeln, wenn es um die Einführung neuer Arbeitszeitmodelle geht. Ob Gleitzeit, Vertrauensarbeitszeit oder Schichtbetrieb – überall dort, wo es um die konkrete Ausgestaltung von Arbeitszeit geht, hat der Betriebsrat ein gesetzlich verbrieftes Mitspracherecht.
Angesichts der Planungen der Koalition CDU/CSU und SPD, statt einer täglichen Höchstarbeitszeit eine wöchentliche Arbeitszeit einzuführen, dürfte die Bedeutung der Mitbestimmung des Betriebsrats in Sachen Arbeitszeit künftig nochmal deutlich steigen. Es wird noch mehr darum gehen, die Gesundheit der Beschäftigten vor Überlastungen durch eine zu hohe tägliche Arbeitszeitdauer zu schützen.
Gut zu wissen: Arbeitszeitgestaltung kann kompliziert sein. Der Betriebsrat wird regelmäßig das Recht haben, nach § 80 Abs. 3 BetrVG juristischen Sachverstand hinzuzuziehen.

Grenzen der Mitbestimmung bei der Arbeitszeit
Auch wenn die Rechte des Betriebsrats weit reichen – es gibt klare Grenzen. Der Betriebsrat kann zum Beispiel nicht darüber mitentscheiden, wie viele Stunden ein einzelner Arbeitnehmer oder eine Arbeitnehmerin laut Arbeitsvertrag oder Tarifvertrag arbeiten muss. Die Dauer der individuellen Wochenarbeitszeit ist nicht Gegenstand der Mitbestimmung. Die Mitbestimmung setzt bei der konkreten Lage und Verteilung dieser Arbeitszeit an. Es ist wichtig, dies stets im Hinterkopf zu behalten. Das schließt natürlich nicht aus, dass man auch zu dieser Thematik freiwillige Regelungen mit dem Arbeitgeber trifft.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Betriebsrat in folgenden Bereichen keine Mitbestimmungsrechte hat:
- bei der Dauer der vertraglich vereinbarten Wochenarbeitszeit,
- bei der Entscheidung über Teilzeit oder Vollzeit im Einzelfall,
- bei tariflich abschließend geregelten Arbeitszeitmodellen,
- bei zwingenden gesetzlichen Vorgaben, etwa aus dem Arbeitszeitgesetz,
- bei der individuellen (Arbeitszeit-)Gestaltung des Arbeitsvertrags durch Arbeitnehmer und Arbeitgeber,
- bei Fragen der Vergütungshöhe, soweit diese nicht durch Betriebsvereinbarung gestaltbar ist,
- bei der Frage, ob die Arbeitszeit der Beschäftigten zu erfassen ist.
Auch tarifliche und gesetzliche Regelungen haben Vorrang. Das Arbeitszeitgesetz zum Beispiel schreibt Höchstarbeitszeiten und Mindestruhezeiten verbindlich vor. Der Betriebsrat hat zwar die Aufgabe gemäß § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG, darauf achten, dass diese eingehalten werden – abweichen darf er aber nicht, es sei denn, der Tarifvertrag lässt das ausdrücklich zu. Besonders wichtig ist in diesem Zusammenhang auch das Mindestlohngesetz, das bei der Gestaltung von Arbeitszeitkonten mitgedacht werden muss.
Typische Fälle der Mitbestimmung bei der Arbeitszeit
Im betrieblichen Alltag begegnen dem Betriebsrat viele Situationen mit Bezug zur Arbeitszeit, in denen Mitbestimmungsrechte gefragt sind. Ein klassisches Beispiel sind Überstunden. Diese dürfen nur dann geleistet werden, wenn der Betriebsrat zuvor zugestimmt hat – entweder im Einzelfall oder im Rahmen einer Betriebsvereinbarung. Auch die Einführung und Gestaltung von Dienstplänen ist mitbestimmungspflichtig. Das bedeutet: Kein Dienstplan darf ohne Beteiligung des Betriebsrats erstellt oder geändert werden. Dabei kann der Betriebsrat auch Einfluss auf die Art der Planung nehmen – etwa ob sie digital oder schriftlich erfolgt – und darauf achten, dass gesetzliche Ruhezeiten eingehalten werden.
Ein weiteres wichtiges Feld ist die Vertrauensarbeitszeit. Auch hier besteht ein Mitbestimmungsrecht, besonders im Hinblick auf die Zeiterfassung. Denn laut Bundesarbeitsgericht und Europäischem Gerichtshof muss die tatsächlich geleistete Arbeitszeit objektiv erfasst werden – auch bei Vertrauensarbeitszeit. Das schützt die Beschäftigten vor unbezahlter Mehrarbeit und hilft dem Betriebsrat, die Einhaltung gesetzlicher Vorgaben zu überwachen.
Gut zu wissen: Nach dem Koalitionsvertrag zwischen der CDU/CSU und der SPD soll Vertrauensarbeitszeit im Einklang mit der EU-Arbetiszeitrichtlinie ohne Zeiterfassung möglich bleiben. Ob das europarechtskonform durchsetzbar ist, bleibt abzuwarten.
Auch Bereitschaftsdienste und Rufbereitschaften erfordern die Zustimmung des Betriebsrats. Sie betreffen nicht nur die Arbeitszeit, sondern auch Fragen der Vergütung und der Belastung der Beschäftigten. In einer Betriebsvereinbarung sollte deshalb genau geregelt sein, wann, wie oft und unter welchen Bedingungen solche Dienste geleistet werden dürfen und wie der Ausgleich aussieht.
Ein besonders sensibler Bereich ist die Kurzarbeit. Dabei handelt es sich um eine vorübergehende Verkürzung der betriebsüblichen Arbeitszeit – häufig aus wirtschaftlichen Gründen. Kurzarbeit darf nur mit Zustimmung des Betriebsrats eingeführt werden. Und weil sie direkte Auswirkungen auf das Einkommen der Beschäftigten hat, sollte der Betriebsrat hier besonders genau hinsehen.

Standardproblem: Eilfälle und Notfälle
In der Praxis kommt es immer wieder vor, dass Arbeitszeiten kurzfristig geändert werden müssen – etwa weil jemand krank wird, eine Maschine ausfällt oder ein dringender Auftrag reinkommt. Auch in solchen Fällen bleibt das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats grundsätzlich bestehen. Der Arbeitgeber darf nicht einfach allein entscheiden.
Damit der Betrieb dennoch handlungsfähig bleibt, können in der Betriebsvereinbarung sogenannte Eilfallregelungen getroffen werden. Dabei erklärt der Betriebsrat im Voraus seine Zustimmung zu bestimmten, klar umrissenen Fallkonstellationen. Zum Beispiel: Wenn in einer Abteilung kurzfristig jemand ausfällt und eine Vertretung organisiert werden muss, darf der Arbeitgeber unter bestimmten Bedingungen Überstunden anordnen – aber nur, wenn der Betriebsrat vorher zugestimmt hat und regelmäßig über die Umsetzung informiert wird.
Anders sieht es bei echten Notfällen aus – etwa bei Brand, Überschwemmung oder Stromausfall. In solchen Situationen darf der Arbeitgeber sofort handeln, ohne vorher die Zustimmung des Betriebsrats einzuholen. Der Betriebsrat ist jedoch unverzüglich zu informieren und die Maßnahme im Nachhinein zu legitimieren. Wichtig ist: Ein Notfall liegt nur dann vor, wenn ein schwerer Schaden für den Betrieb oder die Beschäftigten unmittelbar droht. Reine Organisationsprobleme zählen nicht dazu.
Betriebsvereinbarung Arbeitszeit – beispielhafte Inhalte
Eine gut gemachte Betriebsvereinbarung ist das zentrale Instrument, um die Mitbestimmung bei der Arbeitszeit konkret umzusetzen. Sie sollte verständlich formuliert sein, auf die tatsächlichen Verhältnisse im Betrieb eingehen und sowohl die Interessen der Beschäftigten als auch die betrieblichen Anforderungen berücksichtigen.
Typische Themen in der Betriebsvereinbarung Arbeitszeit
Typische Inhalte einer solchen Vereinbarung sind zum Beispiel Regelungen zur regelmäßigen Wochenarbeitszeit, zur Lage der täglichen Arbeitszeit, zu Beginn und Ende der Arbeit sowie zu Pausen und Ruhezeiten. Auch die Verteilung der Arbeitszeit auf verschiedene Wochentage oder die Einführung von Schichtarbeit gehören dazu. Wenn es im Betrieb verschiedene Arbeitszeitmodelle gibt – etwa für Verwaltung, Produktion und Außendienst – kann es sinnvoll sein, für jede Gruppe eigene Regelungen zu treffen.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Arbeitszeiterfassung. Hier sollte klar geregelt sein, wie und wann Arbeitszeiten dokumentiert werden, wer die Verantwortung trägt und wie der Betriebsrat Einsicht erhält. Auch der Umgang mit Abweichungen – etwa wenn jemand vergisst, sich auszustempeln – muss geklärt sein.
Überstunden und Mehrarbeit verdienen besondere Aufmerksamkeit. In der Vereinbarung sollte genau stehen, wann und unter welchen Bedingungen sie zulässig sind, wie sie angeordnet und dokumentiert werden müssen und wie der Ausgleich erfolgt – ob durch Freizeit oder Bezahlung. Wichtig ist auch eine Begrenzung, damit sich Überstunden nicht zur Regel entwickeln.
Reisezeiten, Umkleidezeiten und Wegezeiten sind ebenfalls regelungsbedürftig. Hier geht es nicht nur um die Frage, ob sie zur Arbeitszeit zählen, sondern auch um die Vergütung und um organisatorische Fragen – etwa wie lange die Umkleidezeit dauert und wo sich umgezogen werden muss.
Schließlich sollte auch geregelt sein, wie mit kurzfristigen Änderungen umgegangen wird – Stichwort Eilfälle und Notfälle – und wie Meinungsverschiedenheiten beigelegt werden. Eine ständige Einigungsstelle kann hier eine sinnvolle Einrichtung sein, um Konflikte schnell und unbürokratisch zu lösen.
Überblick der wesentlichen Themenfelder Betriebsvereinbarung Arbeitszeit
Hier nochmal ein Überblick über die wesentlichen Themenfelder, die exemplarisch Bestandteil einer Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeit sein können:
- Regelmäßige Wochenarbeitszeit und Verteilung auf Arbeitstage
- Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit
- Lage und Dauer der Pausen
- Einführung und Ausgestaltung von Schichtarbeit
- Regelungen zur Arbeitszeiterfassung
- Voraussetzungen und Verfahren bei Überstunden
- Vergütung und Bewertung von Reise-, Wege- und Umkleidezeiten
- Umgang mit kurzfristigen Änderungen (Eilfälle, Notfälle)
- Einrichtung und Verfahren einer Einigungsstelle zur Konfliktlösung

Fazit – Mitbestimmung und Betriebsvereinbarung Arbeitszeit
Arbeitszeit ist ein Thema, das alle im Betrieb betrifft – und das zu gestalten, ist eine der zentralen Aufgaben des Betriebsrats. Der Betriebsrat hat das Recht – und die Pflicht – hier mitzuwirken. Es gilt, die Mitbestimmungsrechte zu nutzen, um faire, transparente und praktikable Arbeitszeitregelungen zu schaffen. Eine gute Betriebsvereinbarung ist dabei das wichtigste Werkzeug. Sie gibt Orientierung, sorgt für Rechtssicherheit und schützt die Interessen der Beschäftigten.
Gleichzeitig hilft sie dem Arbeitgeber, Planungssicherheit zu gewinnen und flexibel auf betriebliche Anforderungen zu reagieren. Wenn beide Seiten gemeinsam an einer guten Lösung arbeiten, entsteht daraus eine starke Grundlage für ein gesundes, produktives und respektvolles Miteinander im Betrieb.